Alte Greifswalder Hochzeitsordnung

Eine Eheschließung war und ist in allen Kulturen und Epochen, ob zwischen wohlhabenden oder einfachen Bürgern, schon immer ein wunderschöner Anlass für rauschende Festlichkeiten. Ob eine Hochzeit im großen Kreis von Familie und Freunden oder zu zweit, ganz für sich allein: Brautpaare von heute entscheiden in aller Regel selbst, wie sie ihren Tag zum Schönsten ihres Lebens machen wollen. Dass das Heiraten in Greifswald in den vergangenen Jahrhunderten mit anderen Sitten und Gebräuchen einherging, als heute, ahnt man wohl schon.

Beim Stöbern im Greifswalder Stadtarchiv wurde allerdings schnell deutlich, dass es den Greifswaldern in früheren Zeiten sogar alles andere als freigestellt war, wie, wann und wo geheiratet und gefeiert werden durfte. Sogar die hiesigen Stadtväter sahen sich im 17. Jahrhundert einst zum Handeln gezwungen, da das Feiern und die damit verbundenen Kosten nach Ansicht „des Erbarn Rahts der Stadt Greiffswaldt“ Überhand genommen hatte. Die 1623 erlassene „Verlobungs – Hochzeit – Kindtauff – und Begräbniß Ordnung“ – ähnlich den seit dem Spätmittelalter vielerorts üblichen Kleiderordnungen, sollte den Greifswaldern Schutz vor übermäßigem Luxus und Verschwendung geben. „Der Buergermeister und Raht der Stadt Greiffswaldtt“ verfügte in jener Hochzeitsordnung, dass „Jedermaenniglich / nachdem nun etliche Jahr hero / bey den Verloebnissen / Hochzeiten / Kindtauffen und Begraebnissen / allerhand Unordnung eingerissen / und viele unnoetige Unkosten angewand worden / wodurch das Vermoegen bey vielen sehr geschwecht / und allerhand beschwerungen in der Haußhaltung eingefuehret / auch di Buergerliche Nahrung / Handel und Wandel / bevorab in diesen geschwinden thewren Zeiten / sehr abnimmet und verringert wird. Der Rat wollte „allen und jeden / unserer Jurisdiction angehoerigen / hiermit aufferleget und anbefohlen haben / dass sie solche Ordnung/in allen ihren Puncten und Articulen, unverbruechlich halten / und dawider nicht handeln / dann sonst auff den widrigen Fall die verwuerckte Straffe von einem jeden / ohn ansehung der / Person / unnachlessig abgefordert werden sol.“

Die Hochzeitsordnung regelte beispielsweise das Eingehen von Verlöbnissen, die Einladung und Anzahl der Hochzeitsgäste, den Kirchgang, die Spielleute aber auch die Entlohnung des Kochs und der Schüsselwäscherin. So sollten alle Hochzeiten, sommers wie winters, am Vormittag abgehalten werden und die Braut – bei Androhung eines Strafgeldes - vor zehn Uhr in der Kirche sein, damit die Hochzeitsgäste nicht zulange nach der Braut Ausschau halten müssen. Diese waren übrigens vier Tage vor der Hochzeit wahlweise durch zwei Stadtdiener oder Verwandte der Braut oder des Bräutigams einzuladen.

„Damit auch das spaete sitzen abgeschaffet werden moege / sollen des Abends die Spielleute / auffs laengste umb 9 oder 10 Uhr / sich zu hause verfügen“. Für die Missachtung dieser Anordnung drohten den Feiernden fünf Gulden Strafgeld. Auch zum Hochzeitsschmaus brachten die Ratsherren ihre Vorstellungen genau zu Papier. „An Essen sollen nicht mehr als drey Gerichte / ausserhalb Krebse / Butter und Kehse / in allen Staenden gespeiset / und nicht mehr als drey Braten in eine Schuessel geleget werden“. Untersagt waren Konfekt und Marzipan, lediglich „oerter gewachsene Früchte und Kuchen“ durften zum Abschluss des Mahls aufgetischt werden. Ebenso sollte darauf geachtet werden, dass niemand heimlich Speisen mit nach Hause nimmt, vom Vorwurf des Diebstahls ausgenommen waren lediglich Prediger, Fremde und kranke Leute. Knechte und Mägde, die bei Tisch bedienten, sollten „vorher abgespeiset werden“.

Wie gefeiert werden durfte, hing dabei aber auch entscheidend vom gesellschaftlichen Stand der Heiratswilligen ab. In der Hochzeitsordnung heißt es dazu: „So werden nach itziger Zeit und gelegenheit / die Buerger und Einwohner allhier / in drey Staende getheilet“. Dem ersten Stande gehörten die Herren Bürgermeister und Ratsverwandten ebenso an wie Doktoren, Sekretäre, vornehme Gewandschneider oder Handelsleute. Dem zweiten Stande gehörten gemeine Kaufleute, Kraemer, Goldschmiede, Tuchmacher, Barbiere, Kannen- und Grapengießer oder Buchbinder und Fleischer an. Alle übrigen „Handtwercker und Buerger / so in vorigen beyden Staenden nicht begriffen / Item / Boßleute / Fuhrleute / Botten / Traeger / Tageloehner und dergleichen“ gehörten dem dritten Stande an.

Nicht weniger deutlich brachte der Rat seine Vorstellungen zu Papiere, welcher Art die „Verehrungen“, die Braut und Bräutigam „sowol in Verloebnussen als Hochzeiten einander zu geben pflegen“, bemessen sein mussten. Ringe, Gold und Silber für die Braut des 1. Standes sollten 100 Taler nicht überschreiten, für die Bräute des 2. und 3. Standes durften die künftigen Ehemänner Schmuck im Wert von bis zu 50 und 20 Talern zuwenden. „An Kleidung aber gantz nichts / außgenommen Gewandt oder Wullenstruempffe / auch Schue oder Pantoffeln / doch ohne Perlen / Goldt und Gesticktes / und nur mit 2 oder 3 Schnuerlein besetzt …“. Auch die Gaben der Braut an den Bräutigam waren genau geregelt: 50 Taler hielten die Stadtväter für den ersten Stand angemessen, 20 und 10 Taler für den 2. und 3. Stand. Je höher das gesellschaftliche Ansehen, desto mehr Gäste durfte das Brautpaar bewirten. „In dem ersten Stande / sollen an Maennern / Frawen / Gesllen und Jungfrawen / nur 80, in dem andern 60 und im dritten 40 Personen / und nicht darueber aber wol darunter / gebeten und eingeladen werden“.

Ein Überschreiten der Gästezahl musste übrigens dem Kämmerer gemeldet werden, was pro Person eine Strafe von einem halben Taler nach sich zog. Um dieses von vornherein zu vermeiden, war das Hochzeitshaus angehalten, dass „zwei Auffwaerter mit Helleparte sollten vor den Thueren bestellt werden / dass sie fleissige auffsicht darauff haben / und die Zutraenger abweisen moegen (…) unnd sol das Hauß / darinnen die Hochzeit gehalten wird / biß nach geendigter Mahlzeit / so viel mueglich / verschlossen werden“. Insgesamt, so forderte es die Ordnung, sollte die Hochzeit „also … in zweyen Tagen geendigt werden“. Mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert verloren derartige Vorschriften immer mehr an Bedeutung und machten Platz für neue Bräuche und Traditionen, die zum Teil bis in die heutige Zeit erhalten geblieben sind oder an die sich zumindest die Generation unserer Großeltern noch gern zurück erinnert. Die Mädchen nähten und sammelten für die Aussteuer, die sie als Braut in die Ehe mitzubringen hatten.

In fast jedem Haushalt mit Töchtern war ein Myrthentopf zu finden – oftmals ein Patengeschenk zur Einsegnung – der bis zur Hochzeit gut gepflegt sein wollte. Selbstverständlich war es auch, dass der Bräutigam bei den Brauteltern um die Hand seiner Auserwählten anhielt. Am Tag ihrer Hochzeit trug die Braut etwas Geborgtes, Neues, Altes und etwas Blaues und die Form des Brautkranzes ließ jeden wissen, ob sie jungfräulich in die Ehe ging. Nach dem Kirchgang wurde dann der obligatorische Brautzoll fällig, den das Paar an Kinder und Jugendliche, die den Weg mit Seilen und großen Baumstämmen versperrten, zu entrichten hatten. Versalzenes Brot und Wasser sollten symbolisieren, dass die Ehezeit auch mal schwierig sein kann.

Aber auch allerlei derbe Späße, die – zum Glück für heutige Hochzeitspaare – ein wenig in Vergessenheit geraten sind, kannte man bereits. Sie variierten von Dorf zu Dorf. Mit dem mittels einer Glasscheibe heimlich abgedeckten Schornstein oder einem in nächtlicher Aktion auf dem Dach befestigten Mistkarren wurden einst viele vorpommersche Brautpaare an ihrem Hochzeitstag überrascht. Der Kinderwagen auf dem Dach oder die ins Brautgemach verlegte Klingel muten dagegen fast harmlos an. Und natürlich wusste man auch damals schon ordentlich zu feiern mit auch heute noch gebräuchlichen Gesellschaftstänzen, Sketchen, Brautstraußwerfen, Hochzeitszeitung und Schleiertanz.

Text: Sabrina Wittkopf-Schade
(aus Greifswald KOMPAKT, Ausgabe 2/2007)
Quelle: Statuta varia Civitatis Gryphiswaldensis,Stadtarchiv Greifswald

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