Thomas Thorild Greifswalder Philosoph

Jüngst war zu lesen, dass die Gemeinde Neuenkirchen aus Anlass des 200. Todestages von Thomas Thorild im Oktober 2008 einen Platz nach ihm benennen und eine Skulptur aufstellen möchte. Wieder Thorild aus längst verblichener Zeit? Sollte man diesen Aufwand betreiben, wo es doch schon sein Grab in Neuenkirchen gibt? Und ob! Der Schriftsteller, Philosoph, Gesellschaftskritiker und Universitätsgelehrte ist es wert. Was ihn bis heute aus der Menge seiner Berufskollegen heraushebt? Er war streitbar, produktiv, ausgerüstet mit Zivilcourage und verzichtete auf Privilegien, wenn seine Überzeugung der Preis dafür war. Thorild hält einen Spiegel vor sich hin, der auch in unseren Tagen keine Mattheit aufweist und in den jeder zuweilen blicken sollte.

Thomas Thorilds Grab in Neuenkirchen bei Greifswald (Foto: Dr. Rainer Schwenke)Thomas Thorild, der als einziger Vertreter der schwedischen Literatur dem „Sturm und Drang“ zugerechnet wird, verteidigte seine Promotionsthesen über Montesquieu 1788 in der Aula der Universität Uppsala. Das Protokoll dieses Ereignisses ist aufbewahrt. Auf Wunsch König Gustavs III. traten die damals führenden Sozialwissenschaftler Schröderheim und Leopold als Opponenten auf und „bekamen beide in einem Hauen und Stechen von mehreren Stunden gehörig aufs Fell“. Seine Majestät befand sich ebenfalls in der Aula. Welche Ehre! Noch heute steht über dem Eingang zur Aula „Frei zu denken ist groß, doch richtig zu denken ist größer“ Th. Thorild.

Gustav III., der 1771 auf seinem Weg von Frankreich nach Schweden Greifswald besuchte, war ebenso von den Ideen, die in Frankreich debattiert wurden, beeindruckt; allerdings sah er nach seiner Machtübernahme 1772 eher in der Wiedererrichtung des Absolutismus die Lösung für Schweden. Damit war für Thorild schwer atmen. Horace Engdahl beschrieb die Situation, die nun eintrat: „Thorild war von seiner Natur her ein Triumphator. Das Eigentümliche ist, dass sein Leben ein Bild einer nahezu ungebrochenen Reihe von Misserfolgen aufweist. Alle seine großen Projekte gingen schief, seine Sparsamkeit ließ ihn nie schuldenfrei werden ... Junge Leute ohne Einfluss wurden seine Anhänger, die Chancen, Zutritt zu den Kreisen der Macht zu erlangen, verspielte er. Seine literarischen und philosophischen Kontrahenten trugen die Siege davon.” Und gerade deshalb sollte man ergänzen, dass Thorild stark war und er selbst bleiben konnte. Er hatte seine klaren Gedanken über die Gesellschaft, die Natur, die Kraft und die Harmonie.

Nach der Ermordung Gustavs III. verschärfte sich das Klima in Schweden. Thorild, der „frei und richtig“ denken wollte, warnte die Herrschenden davor, überfällige Reformen weiter zu verzögern und unterbreitete Vorschläge, die in den Kreisen der Macht für Unruhe sorgten. Exempel mussten statuiert werden. Thomas Thorild kam vor Gericht und wurde für vier Jahre seines geliebten Vaterlandes verwiesen. Dieses Schicksal führte ihn schließlich nach Greifswald – der königliche Ratgeber Reuterholm half ihm wohl dabei – ins schwedische Pommern. Hier angekommen, wurde er im Jahr 1795 Professor für Literatur und Bibliothekar an der Greifswalder Universität und blieb dies bis zu seinem Tod.

Das Angebot der Universität, ihn zum Professor für Sprache zu ernennen, wies er mit der Bemerkung zurück, für so etwas ABC-darisches sei seine Zeit zu schade. Es war eine quirlige Zeit an der damals ältesten Universität auf schwedischem Boden. Die Schwedenzeit hatte tiefe Spuren hinterlassen. Das neue Universitätsgebäude war errichtet wurden, hunderte Schweden hatten hier studiert, schwedische Professoren unterrichteten und die Universität erhielt ein Exemplar aller Druckerzeugnisse Schwedens. Die französische Revolution hatte die Freigeister mit Zuversicht erfüllt, doch da näherten sich bereits Napoleons Truppen und schließlich hoben die preußischen Reformer ihre Häupter. Zur gleichen Zeit wie Thorild wirkten auch Ernst-Moritz Arndt, Karl Schildener, Johann Quistorp und andere über Greifswald hinaus bekannte Wissenschaftler an der Universität. Aufklärung, Neupietismus, Nationalgefühle für und gegen das alte und neue Preußen, für und gegen Frankreich und Schweden.

Welch ein Wechselbad der Gefühle! Eine wahre Umbruchzeit. Thorild hielt in Greifswald Vorlesungen und blieb literarisch und gesellschaftskritisch aktiv. In Harmonie mit Herder und gegen Kant veröffentlichte er Schriften und kümmerte sich um Herders Nachlass. Allerdings fand er nun auch Ruhe in seiner Familie. Hier war er, als Napoleon im Jahre 1806 die Preußen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt vernichtend schlug. Damit lag die Garantiemacht für Pommern am Boden, außerstande weiterhin dafür zu sorgen, dass Pommern im Gefüge der deutschen Staaten nach deutschem Recht funktionieren konnte. König Gustav IV Adolf sah die Chance und bezog Hauptquartier in Greifswald, um mittels Pommerschen Putsches zu versuchen, nach über 160 Jahren „Schwedenzeit“ endlich auch das schwedische Staats- und Ständesystem in „Schwedisch Pommern“ einzuführen und die Leibeigenschaft aufzuheben.

1808 starb Thomas Thorild und wurde in Neuenkirchen beigesetzt. In Schweden wurden einige Schulen nach ihm benannt und in Stockholm fährt man mit der U-Bahn in nordwestliche Richtung in die Station „Thorildplan“ ein. Begegnungen mit Gymnasiasten von heute verraten allerdings, dass sein Name in Vergessenheit gerät, wenngleich sich Literaturwissenschaftler ihm immer wieder widmeten und zu ganz verschiedenen Interpretationen seines Lebenswerkes kamen. Ein Denkmal in jüngerer Zeit setzte ihm der schwedische Bildungspolitiker, Schriftsteller und Reichstagsabgeordete Stellan Arvidson (1902–1997). Er veröffentlichte zwei Bänden über Thorilds Leben und Werk. Arvidson hatte in den 70er und 80er Jahren als Gastprofessor in Greifswald bei zahlreichen Studenten und Wissenschaftlern das Interesse an Thomas Thorild geweckt.

Unlängst wurde in Thorilds Heimatregion in Munkedal nahe Göteborg eine Thomas-Thorild-Gesellschaft gegründet. Es sind wohl neben einigen seiner Schriften seine Streitlust, sein Intellekt und sein Schicksal, die ihn durch die Jahrhunderte tragen und immer wieder dazu führen, dass man sich seiner erinnert und ihn den neuen Generationen vor Augen führen möchte. Die Idee für einen Thomas-Thorild-Platz ist daher durchaus zeitgemäß! Für die Freunde der schwedischen Sprache eine kleine Kostprobe aus Thorilds Passionerna:„Jag älskar inte Medelmåttens ymnighet. För Er har jag icke skrivit, artigt famlande Ordsnillen! Icke för Er, själar utan kraft! Fjäder-lätta, vatten-klara, behagliga som en ljuv dunst, och så svaga och försvinnande!“

Text und Foto: Dr. Rainer Schwenke
(aus Greifswald KOMPAKT, Ausgabe 4/2008)

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