Überraschend am Wahlausgang war wohl weniger die Reihenfolge als vielmehr das Zahlenergebnis.
Zum Vergleich die Wahl von 2001. Damals trat König erstmals für die CDU an. Er brachte die Erfahrung eines Landtagsabgeordneten mit und den Bonus eines - im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger von der Wense - schon in seiner „Jugend“ nach Greifswald „Zugereisten“. Sein Hauptgegner war Hinrich Kuessner von der SPD, Ex-Sozialminister und Ex-Landtagspräsident, einer der Wende-Aktivisten in Greifswald, aber Freund der eher leisen Töne.
Der erste Wahlgang ergab ein 35,6 % zu 27,9 % für König, die Stichwahl dann ein äußerst knappes 51,1 zu 48,9. Den dritten Platz erreichte Dr. Thomas Meyer von der Bürgerliste mit 19,1 % vor Birgit Socher (PDS) mit 15,8 %.
Zweifellos sind Direktwahlen ganz überwiegend Personenwahlen. Daraus resultiert auch der „Direktsieg“ von König mit 59,9 Prozent, dessen Amtsbonus dadurch noch verstärkt wurde, dass sich Greifswald gerade in den vergangenen sieben Jahren im bundesweiten Maßstab in der Reihe der aufstrebenden Städte etabliert hat. Dazu kommt die selbstbewusste und offene Persönlichkeit des Amtsinhabers, der noch dazu ohne negative Schlagzeilen auskam.
Jeder Gegenkandidat muss sich dieser Situation vor seiner Kandidatur bewusst gewesen sein.
Natürlich waren die anderen beiden großen Parteien SPD und Linke zur Kandidatur verpflichtet, um so gegenüber ihren Mitgliedern und Stammwählern ihrer Bedeutung gerecht zu werden. Von gesteigertem Selbstbewusstsein bei den Greifswalder Grünen zeugt die Kandidatur des mittlerweile stadtbekannten Buchhändlers Dr. Ulrich Rose. Eher sportlich dagegen ist der Antritt des Ex-CDU-Mitglieds Tammert zu werten.
Die Ergebnisse der Gegenkandidaten fordern einen Kommentar direkt heraus.
Auch wenn sich Birgit Socher (18,5 %) vielleicht mehr ausgerechnet hat, kann sie sich über den unangefochtenen zweiten Platz mit knapp dreiprozentiger Steigerung gegenüber 2001 freuen. Das selbe tat auch Rose, dessen Ergebnis von 11,0 % wohl über seinen eigenen Erwartungen lag, der aber von der Steinkohlekraftwerksdiskussion profitieren konnte. Angesichts der vielen Schlagzeilen, die Tammert im Vorfeld produzierte, erstaunt sein nur knapper Rückstand (4,9 %) zum SPD-Kandidaten Mutke (5,7 %).
Desaströs vor allem für dessen Partei ist das Abschneiden von Rainer Mutke. Es entspricht nicht der wirklichen Bedeutung und Verankerung der SPD in Greifswald, aber so ist das bei Personenwahlen! Die SPD zeigte schon bei der Kandidatensuche mehr Qual als sie eine echte Wahl hatte. Das Dilemma vollständig machte dann der Kandidat selbst, als er sich in den Fragen Steinkohlekraftwerk und WVG-Anteilsverkauf von seiner eigenen Partei wegprofilieren wollte.
Was bedeutet das Wahlergebnis für Greifswalds Zukunft?
Wer „Veränderungen“ für Greifswald fordert, wie so mancher Kandidat, sollte sie ersten klar formulieren und zweitens darüber nachdenken, auf welchem Wege sie durchzusetzen sind. Berücksichtigt werden muss dabei natürlich die gesetzliche Stellung des Oberbürgermeisters, der laut Kommunalverfassung wie jeder andere Amtsträger auch die Beschlüsse des Parlaments vorzubereiten und umzusetzen hat. Natürlich ergeben sich daraus Gestaltungsspielräume für den Oberbürgermeister, aber die wichtigsten Entscheidungen können nicht ohne die Bürgerschaft getroffen werden. Greifswald hat mit absoluter Mehrheit seinen obersten Repräsentanten gewählt, der dadurch den Auftrag bekam, die erfolgreiche Entwicklung weiter voranzutreiben, unter aktiver und auch kritischer Beteiligung der Stadtvertreter und der gesamten Bevölkerung.
Dr. Rainer Höll
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