Früher gab es ihn in Greifswald, den 12. Juni, an dem Schüler Blumen als Dankeschön an die Lehrer mitbrachten, es keine Leistungskontrollen gab und es kollektive Auszeichnungen regnete. Was deutsche Lehrer heute leisten, scheint oft ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein und die mangelnde Anerkennung in der Öffentlichkeit ist nicht erst seit PISA ein Problem. Dabei muss ein Lehrer eigentlich alles können: erziehen, Konflikte schlichten, in immer größeren Klassen mit immer größeren Leistungsunterschieden unterrichten, Klassenfahrten organisieren, Kontakte zu Eltern und Jugendeinrichtungen pflegen, jedes Kind individuell fördern, immer ansprechbar und freundlich sein. Ein Job, den an manchen Schulen selbst ein nervenstarker Erfolgsmanager kaum einen Tag lang durchstehen würde, ohne an Flucht zu denken.
Zum Glück gibt es sie aber noch, die Lehrer, die nicht im Traum daran denken würden, ihren Beruf an den Nagel zu hängen. Greifswald KOMPAKT besuchte eine von ihnen: Sabine Fichtner, Deutschlehrerin und Kunsterzieherin an der Greifswalder Arndt-Schule. Daran, ihren Wunschberuf aus Kindertagen aufzugeben, das wird schon zu Beginn des Gespräches klar, würde sie nie denken. „Ich wollte immer Lehrerin werden! Größtes Vorbild für mich ist mein Vater, der als Lehrer sehr gut mit schwierigen Schülern umgehen konnte“, so die gebürtige Lübzerin. „Auch nach 20 Jahren bin ich noch furchtbar gern Lehrerin, auch wenn Vieles schwieriger geworden ist. 30 Schüler zu unterrichten ist keine Seltenheit und auch nicht das unbefriedigende Gefühl, nicht auf alle Schülern eingehen zu können“, so Sabine Fichtner. Die Möglichkeiten des offenen Unterrichts hat sie hingegen, so wie viele ihrer Kollegen, als befreiend empfunden. Er gibt mehr Flexibilität in der Unterrichtsgestaltung, verlangt aber auch mehr Verantwortung und eigenständiges Arbeiten der Schüler.
Auf die viel gescholtene Jugend mit ihrer Null-Bock-Stimmung angesprochen, winkt Sabine Fichtner ab. „Ihr Ruf ist oft schlechter, als sie wirklich ist. Die Freude an der eigenen Leistung muss zwar stark motiviert werden, andererseits sollte man nicht vergessen, dass tagtäglich Vieles auf unsere Kinder einstürmt und ihr Verhalten oftmals das Zeichen großer Sorgen und Zukunftsängste ist“. Was sowohl Lehrer als auch Schüler wirklich mürbe macht, seien schulpolitische Diskussionen, häufige Lehrerwechsel, Fächerstreichungen und sich mitten im Schuljahr ändernde Prüfungsthemen. Hier wünschen sich beide Seiten mehr Kontinuität für ihre Arbeit, so Fichtner. Stellvertretend für alle Pädagogen möchten wir ihr für die jahrelange Tätigkeit danken; in der Generationen von Schülern auf das Leben vorbereitet wurden, weil es Menschen wie sie gibt.
Text und Foto: Sabrina Wittkopf-Schade
(aus Greifswald KOMPAKT, Ausgabe 6/2006)
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