Beim Betreten der Greifswalder St. Marienkirche fallen im Turmraum zwei Glocken auf. Die kleinere von beiden ist ein Kuriosum. Sie hatte früher einmal als Aufgabe, die Polizeistunde zu verkünden. Diese Funktion ist an der Inschrift in niederdeutscher Sprache noch erkennbar. Die Inschrift an der Greifswalder Glocke lautet:
De Wachterkloke bin ick genannt,
Allen fuchten broders wol bekannt,
Krüger, wenn du hörst meinen Laut,
So jach de geste tom huse uth.
Die Wächterglocke bin ich genannt,
allen feuchten Brüdern wohl bekannt.
Kroger, wen du horst minen luth,
so jage die Gäste zum Hause raus.
Im Turm läutet ein Nachguss der alten Wächterglocke von 1569. Ihr Ton sagt jedoch nicht mehr: Leute, jetzt ist Schluß, geht nach Hause, schlaft euern Rausch aus, morgen ist auch noch ein Tag. Heute lädt die Glocke ein zur Kirche, zu Gottesdienst, Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Konzert. Sie sagt: Leute, kommt her, jetzt beginnt hier in der Kirche etwas. Hier kann man sich treffen, singen und beten. Hier kann man zur Ruhe kommen, nachdenken, schweigen, Musik hören. Hier ist jede und jeder willkommen.
Text: Rudolf Dibbern, Pastor in St. Marien
(aus Greifswald KOMPAKT, Ausgabe 7/2005)
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