Arndt-Darstellung der Uni Greifswald ist verfälscht!
Sogar ein Autor distanziert sich vom offiziellen Uni-Text. Geschichtswissenschaftler Prof. Dr. Werner Buchholz hält Schrift für „defizitär und irreführend“. Forderungen der 1200-Studenten-Vollversammlung nach „kritischer Darstellung“ Arndts nicht erfüllt. Studenten-Initiative fordert Text sofort von der Homepage zu nehmen und neu schreiben zu lassen. Sorge um faire Durchführung der Urabstimmung. Unitext erinnert an Ethnopluralismus der „neuen Rechten“…
„Wir sind entsetzt“, fasst es Martin Schubert zusammen. Schubert ist Sprecher der Initiative „Uni ohne Arndt“, die sich an der Universität Greifswald für die Ablegung des antisemitischen Namenspatrons engagiert.
Grund: Das Rektorat verharmlost in seiner offiziellen Stellungnahme Arndts Rassismus und Antisemitismus. Es ist die erste Stellungnahme der Universität Greifswald seit der Namensverleihung 1933 durch Herman Göring. 17 Monate hatte die Universität gebraucht, um sie erarbeiten zulassen.
Mysteriös: Niemand möchte für den Text verantwortlich sein: Die Autoren fehlen unter dem Text. Auch auf Nachfrage verheimlicht die Pressestelle die Autoren. Doch Texte ohne Autoren sind unüblich in der Wissenschaft. Wie die Initiative erfuhr: Der Grund für dieses dubiose Vorgehen der Universität ist, dass mindestens einer der Autoren den Text für einen derart schlechten „politischen Kompromiss“ hält, dass er dafür seinen guten Namen als Professor nicht hergeben wollte. Daraufhin veröffentlichte die Universität den Text einfach ohne Namen.
Und der Professor (Name der Initiative bekannt) hat gute Gründe für seinen Rückzug: Die Universität versucht mit dem Text Arndts Rassenwahn zu verstecken. Statt „rassische Reinheit“ spricht der Universitätstext vom „Erhalt kultureller und sprachlicher Besonderheiten“. Noch schlimmer: Eine deutliche Distanzierung von Rassismus und Antisemitismus fehlt völlig.
Prof. Buchholz hat im Juli zum Arndt Text der Uni eine ausführliche Kritik geschrieben, die Sie in der „PM_Details“ ebenfalls erhalten. Eine Überarbeitung des Textes lehnt die Universität jedoch – so ihr Pressesprecher – ab. Deshalb wenden wir uns nun an die Öffentlichkeit. Denn egal ob der Name der Uni bleibt oder nicht. Die Uni muss sich endlich ihr antisemitischen Erbe aus dem Dritten Reich eingestehen.
Wir fordern die Universität auf, unverzüglich die Namen der Autoren zu nennen oder die manipulative Arndt-Darstellung sofort zu löschen und neu schreiben zu lassen. Die Autoren sollten zu ihrem Werk stehen können. Die Studenten hatten auf der Vollversammlung einen kritischen Text gefordert – keine Schönfärbung für die PR.
„Der Umgang der Universität Greifswald mit ihrem Namenspatron ist ein geschichtspolitischer Skandal und zeigt wie sehr man auch heute bemüht ist, die Geschichte zu verdrängen“, sagt Martin Schubert: „Drei Worten fassen es zusammen: Verheimlichung, Schönfärbung und systematische Manipulation.“
Wir haben das unmögliche Taktieren der Universität Greifswald in drei Abschnitten dargestellt:
1.Wie stark und offensichtlich die Universität manipulierte & kürzte.
2.Arndt‐Gymnasien offen & ehrlicher als Arndt‐Universität.
3.Die letzten zwei Jahrzehnte: Verdrängung Arndts und Mobbing & Drohungen gegen Kritiker
1.) Schönfärbung & Kürzungen in der Arndt‐Darstellung der Universität
Der folgende Abschnitte wurde mit freundlicher Unterstützung von Prof. Dr. Werner Buchholz (Lehrstuhl für pommerische Geschichte und Landeskunde an der Uni Greifswald) erstellt.
Der Einleitungstext ist defizitär und irreführend. Er ist nicht geeignet, eine auch nur annähernd der Realität entsprechende Charakterisierung von Person und Werk Arndts zu vermitteln. In der Allgemeinheit seiner Formulierungen ist er nichtssagend, zentrale Bereiche in Arndts Leben und Werk werden ausgeblendet (Antisemitismus, Judenpogrome), manches ist widersprüchlich, teilweise sind die Angaben schlicht und einfach falsch. Etwa, dass sich Arndt nur über „—„außereuropäische Völker … abwertend“ geäußert habe. Franzosen, Dänen, Polen – sind das keine europäischen Völker? Der Text ist auch irreführend, etwa wenn es heißt die Universität habe Arndt noch zu Lebzeiten 1856 „als Vertreter der Philosophischen Fakultät“ im Rubenow‐Denkmal geehrt. Richtig ist aber, dass gerade die Philosophische Fakultät ein Platz für Arndt im Rubennow Denkmal abgelehnt hatte. Seine Leistung als Wissenschaftler und Hochschullehrer hätten ihn eben nicht besonders auszeichnet. Falsch und irreführend ist es auch, wenn von einem „progressivem Erbe“ die Rede ist. Insgesamt weist der Text, gemessen an seiner Kürze, und seiner über einjährigen Erstellungszeit erstaunlich viele Defizite auf.
Fünf Beispiele für Verharmlosungen:
•Arndts Forderung nach „rassische Reinheit“ versteckt der Text einfach hinter Formulierungen wie: „Arndt forderte die Konsolidierung und Erhaltung kultureller und sprachlicher Besonderheiten“. Damit knüpft die Universität an Formulierungen der Neuen Rechten und ihrer Ideologie des Ethnopluralismus an. Ein kritischer Umgang mit solchen Begriffen oder gar eine Distanzierung von diesen Gedanken fehlt im Text jedoch völlig.
•Der Text suggeriert das der Uniname von der „preußischen Staatsregierung“ verliehen worden. Tatsächlich hatte die NSDAP 1933 schon ihre totalitätre Strukturen durchgesetzt. Der Text verheimlicht auch, dass es Hermann Göring war, der in Greifswald den Namen verlieh und bis heute auf der Namensurkunde der Universität prangert. Für die Uni ein „unwichtiges Detail“?!
•Der Text stellt Arndt in die Nähe von „Aufklärung“, erwähnt Begriffe wie „Republik“ und „politischer Teilhabe“. Verschwiegen wird jedoch, gerade Arndt erklärter Feind der Aufklärung und Republik war.Er war auch in der Paulskirche Anhänger der erzkonservativen Monarchisten. 1848/49 polemisiert er „gegen demokratisches Ungeziefer“, gegen „kosmopolitische Schelme von Juden und Franzosen“ und fordert, aufständische Demokraten wie „wilde gesetzlose Wölfe“ abzuknallen.
•Der Text spricht von einer Nation „von sprachlicher und kultureller Einheit“. Das hört sich schön an. Dass Arndt die deutsche Rasse aber über ihre Sprache konstruierte und sich mit bei „kulturelle Einheit“ vor allem rassisch getrennte Völkern erhoffte, bleibt unerwähnt.
•Zwar räumt der Text ein, dass Arndt „gegen die Gleichstellung“ der Juden war, doch dies war noch Arnds harmloseste Forderung. Der Autor „vergisst“ auf seine ausführlichen antisemitischen Tiraden, seine Tolerierung von Judenpogromen, sowie seine eigene Drohung mit selbiger hinzuweisen. Arndt wird deshalb auch als einer der ersten „modernen“ Antisemiten eingestuft, der die Religionsgemeinschaft als eine «schmutzige Rasse» definierte.
Ganz am Ende legte das Rektorat noch einmal selbst den Rotstift an und löschte die folgende Passage aus dem Ursprungsskript, welches der Initiative vorliegt:
“
“Sein Name im Universitätstitel hält die Frage nach einer verantwortlichen Verbindung von Wissenschaft zu Politik und Gesellschaft im Interesse des Gemeinwohls offen. Dieser Frage muss sich jede akademische Generation neu und verantwortlich stellen.”
Dieser Text wurde ersatzlos gestrichen. Wie kann man besser dokumentieren, dass eine Diskussion über den Namen weder jetzt noch in Zukunft gewünscht wird?
(
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